„Worte-Wirken“ und die liebe Gewohnheit
Gastbeitrag von Elisabeth Walter
Von Natur aus sind die Menschen fast gleich, erst die Gewohnheiten entfernen sie voneinander.
Konfuzius
Gewohnheiten entschlüsseln – entdecken – entfernen – entkräften – entweihen.
Schlüsselworte für das gute Gelingen sind: reflektieren und justieren. Die eigene Wahl der Worte reflektieren zu können, gibt schon die ersten Hinweise. Z.B.: „Ich muss etwas ändern.“ Oder: „Ich bin (schon) am Reflektieren.“ Worte und Handlungen als eine Synergie vereint mit Werten und guten Gefühlen ist ein Königsweg im Umgang mit Gewohnheiten.
„Jetzt ist es so weit, ich höre auf, Schokolade zu essen.“
Dieser Satz hat eine Wellenbewegung ausgelöst, mit der ich so nicht gerechnet hatte, weil die Wirkungen, besonders die körperlichen Signale, haben mich echt überrascht. Erste Handlung zu diesem Satz: ich kaufte keine Schokolade mehr. Ok. Zu den gewohnten Schokolade-Ess-Zeiten signalisiert der Körper: „Ich will Schokolade. Ich will Schokolade. Ich will Schokolade…“ In Gedanken binde ich meine Hände fest an die Sessellehne und suche nach Ideen und Strategien, diesem Drang zu widerstehen; beschreibe den Nutzen für mich im inneren Dialog: Es geht dir viel besser, wenn du keine Schokolade mehr isst… Und das soll ich dir glauben… ja, du wirst sehen…
Wo ist die Bereitschaft geblieben, die in diesem Satz steckte? „Jetzt ist es so weit, ich höre auf, Schokolade zu essen.“
Anders beim Schach. Ich wollte gefühlt immer schon Schach spielen lernen. Ich frage meine Geschwister – sie wollen nicht. Ich frage einige meiner Freunde – sie wollen nicht. Keiner will Schach spielen. Mein damaliger Mann hat mit mir gespielt… Nur, nachdem er später immer verloren hat, war auch das vorbei. „Warum gehst nicht in einen Schachklub?“ „Also mir wäre das zu blöd, du solltest dich bald entscheiden, ob du wirklich weitermachen möchtest mit dem Schach, das Nörgeln und Jammern macht auch keinen Sinn.“
Diese und viele andere Sätze hörte ich von Menschen – auch: „Toll, wie hartnäckig du bist.“ Ja, ich wollte mir eine neue Gewohnheit schaffen und regelmäßig Schach spielen.
Meine Gedanken damals waren oft: „Wie machen das andere, die keine Schokolade essen oder überhaupt keinen Bock auf Schokolade haben.“ Der Neid griff um sich: Ich will auch, ich will auch… „…keinen Bock auf Schokolade haben“.
Irgendetwas ist noch nicht in meiner Wahrnehmung damit es gelingen kann, diese Feststellung ließ mich auf die Suche gehen. Es heißt ja: „Wer suchet der findet.“ Für mich sind Gewohnheiten eng mit einem bestimmten Verhalten verknüpft, also Handlungen, die oft wiederholt wurden, zur Routine wurden und dann zum Autopiloten, wie das tägliche Zähne putzen oder die Pflanzen, die regelmäßig gegossen werden, damit sie gedeihen. Verhalten ist wiederum mit Werten, Emotionen und guten Gefühlen verknüpft. Also bei genauerer Betrachtung sehr komplex. Eine Kernfrage: Was braucht es, dass es gelingt?
Irgendwie könnte es darum gehen, die Welt der Gewohnheiten zu entdecken, mit den unterschiedlichsten Fragestellungen. Z.B.: Was hätte ich denn gern? Was braucht es, dass es gelingt? Was ist schon da? Was gilt es noch zu organisieren? Usw.
Für ein: In die Welt der Gewohnheiten einzutauchen können einige Informationen helfen, wie z.B. Kenntnis über verschiedene Merkmale
- Regelmäßigkeit: eine Handlung, die regelmäßig und (oft) ausgeführt wird, wird eine gewohnte Tätigkeit, die sich manchmal zu einer Fähigkeit entwickelt, wie Auto fahren, Rad fahren beispielsweise; manchmal führt diese Tätigkeit auch zur Erfüllung eines Wertes, wie bei mir Schach lernen; oder im Berufsleben: Man lässt sich ausbilden für einen bestimmten Beruf, wo Theorie und praktisches Umsetzen geübt wird und später ergeben sich gewissen Routinen, also
- Automatismen: die im Unbewussten wirken und steuern. Wenn ausreichend wiederholt wurde und damit starke Synapsen entwickelt wurden, übernimmt die unbewusste Kompetenz des Körpers diese Aufgaben. Hurra, ein Autopilot ist etabliert. Autopiloten enttarnen geht, indem man etwas anderes macht. „Heute nehme ich einen anderen Weg zur Arbeit, immer das Gleiche ist ja fad.“ Sagte ich mir. Ich erledige noch einiges, bevor ich wegfahre. Irgendwo auf halber Strecke bemerke ich, ich bin am gewohnten Weg. Ein Teil in mir lacht, ein anderer Teil, schimpft: „Du wolltest doch anders fahren, habe wieder nicht aufgepasst, immer dasselbe mit mir.“
- Stabilität: Ein Aspekt, der für die Gewohnheit spricht, ist der, der Stabilität. Handlungen und Tätigkeiten können wichtige Werte erfüllen, können uns mit Freude erfüllen und tragen dazu bei, dass man ein Verhalten trainiert, das uns guttut und so eine gewisse Stabilität im Leben ist und so zu einer nützlichen Orientierung verhilft, auch wenn es unbewusst geschieht.
Was auch spannend ist – denke ich – ist, dass es der Gewohnheit einfach egal ist, ob sie für den Menschen hilfreich ist oder nicht, weil es geht ja „nur“ um antrainierte Abläufe des Tuns. Mein Schokoladen-Thema: Die Schokolade war nützlich, wenn ich schnell Energie brauchte und hat ein gewisses Glücksgefühl in mir ausgelöst.
Ich habe mich daran gewöhnt und mein Körper schickte Signale, die bedeuteten: „Ich will Schokolade.“ Der Gewohnheit war es egal, ob es gesund oder nicht gesund war.
In manchen Familien – ich spreche ein bisschen aus dem Nähkästchen der Aufstellungserfahrung – hält sich die eine oder andere Hausregel im Sinne von – Das haben wir immer schon so gemacht – über Generationen. Man nennt es dann Prägung. Ja, Prägungen sind auch Gewohnheiten, die antrainiert wurden. Auch wieder plus/minus, es sind viele Prägungen ok – bei anderen ist man gefordert, sie, umzutrainieren.
Eine andere Schattenseite der Gewohnheit ist, dass Spontanität verloren gehen kann. Ich fahre jahrelang die gleiche Strecke zur Arbeit, plötzlich ist die Straße gesperrt. Eine erste Reaktion könnte sein, Irritation. Je nachdem kommen Sätze wie: Was haben’s jetzt schon wieder gemacht. Na geh, jetzt komme ich zu spät zur Arbeit, der Chef wird richtig sauer sein. Man sollte doch in den Nachrichten die Leute über eine Straßensperre informieren. Immer passiert mir das, dass ich in solche Situationen komme.
Bis sich das emotionale System neu ausgerichtet hat, kann es etwas dauern, je nach Art der Gewohnheit.
Oder man ist so im gewohnten Tagesablauf drin. Ein Freund ruft an: „Magst dich spontan treffen, ich bin gerade in der Nähe und dachte mir, ein kleiner Plausch wäre nett.“ Der Körper reagiert mit Stress, weil: „Das kann man ja nicht machen, einfach so abbrechen und mit einem Freund treffen.“
Aaaaber, der für mich essenziellste Aspekt ist die Sache mit den Emotionen (Trauer, Wut, Schuld, Angst …), die im Körper aktiviert werden können, wenn es um Veränderung geht, und sie können die größten Verhinderer um Umgang mit Gewohnheiten sein, denn sie kommen unwillkürlich. Wie bei meinem Beispiel der Schokolade: Der Körper schreit: „Ich will Schokoladeeeeee…“ der Verstand sagt: „Ich höre auf damit.“ Die Frage ist: Wer gewinnt?
Grundsätzlich könnte man sich auch die Frage stellen – wenn man Gewohnheiten verändern wollen würde – wie steht es mit dem Vergleich? Wie vergleicht man einen Erfolg/Misserfolg und wie redet man dann mit sich?
Erfolg: „Ja, das ist gut gelungen, weil…“ (das „weil“ filtert einen Wert)
Erfolg: „Ja, das ist gut gelungen, aber …“ (dem aber folgt oft eine Kritik oder Abwertung)
Misserfolg: „Jetzt habe ich es wieder nicht geschafft, ich kann es einfach nicht, die anderen haben schon recht.“
Vera F. Birkenbihl sagt: „Sprache ist Verhalten.“ Welche Wirkungs-Übersetzungen lassen diese Sätze zu?
Welcher Satz wirkt trennend, welcher verbindend? Welche Kommunikation hätte ich denn gern?
Allem voran im Umgang mit Gewohnheiten steht die Frage: Was hätte ich denn gern? Möchte man mit der neuen Gewohnheit einen Beitrag für andere leisten oder für sich selbst? Oder für beide? Zum Beispiel: „Ich möchte in Zukunft pünktlich sein.“ Ein Ziel, das möglicherweise für andere eine positive Auswirkung hat und auch für sich selber, weil diese Gewohnheit den Körper entstressen könnte. Der Versuch gibt die Antwort.
Welche Unterscheidungen innerhalb der Welt der Gewohnheiten kann man noch treffen?
- Physische Gewohnheiten: Routinen wie das tägliche Zähneputzen, morgendlicher Sport, telefonieren, Social Media schauen …
- Mentale Gewohnheiten: sind Denkgewohnheiten wie innere Monologe und/oder Dialoge. Wenn man die Wechselwirkungen der Worte und des Körpers berücksichtigt, ist die Qualität der Wortwahl und der damit gewählten Satzstruktur von großer Bedeutung. Z.B.: Ich muss noch …vs… Ich mache noch … Das darf ich nicht vergessen …vs… Ich werde dran denken. Warum hat es schon wieder nicht geklappt …vs… Beim nächsten Mal werde ich mich anders vorbereiten.
- Soziale Gewohnheiten: sprachliche Verhaltensweisen in sozialen Interaktionen, Händeschütteln zur Begrüßung oder die Art und Weise, wie man Gespräche führt.
Hilfreich auf dem Weg dahin könnten Rezepte, also Anleitungen, bestimmte Abläufe und Methoden, um einen ersten Schritt zu machen in Richtung neue Gewohnheit oder in Richtung Gewohnheit abzutrainieren. Je nachdem, was gerade dran ist.
Je nachdem habe ich mir zwei Lieblingsrezepte angewöhnt. Die 3-O’s und 3:1-Reflektion, sie sind beide bei mir quasi in Fleisch und Blut übergegangen.
Die 3-O’s: Ordnen-Orientieren-Organisieren
- Ordnen: Innerhalb eines gewissen Rahmens/Kontextes werden Werte formuliert. (Ich möchte keine Schokolade mehr essen. Oder: Ich möchte Schach spielen lernen.) Diese Fragen helfen, die Werte zu filtern: Wie hätte ich es denn gern? Was ist das Wichtige dabei? (Ich möchte keine Schokolade mehr essen. Werte z.B.: gesund leben, dem Körper Gutes tun, abnehmen, … Oder: Ich möchte Schach spielen lernen. Werte z.B.: Spaß haben, Können wollen, …) die Werte in eine passende Hierarchie ordnen oder kreativ anordnen.
- Orientieren: Welcher Wert ist als Erster dran? Welcher Wert ist heute dran?
- Organisieren: Das ist der Teil, wo das Ändern beginnt, die ersten Schritte in die neue Gewohnheit oder weg von der Gewohnheit. Manche Schritte gelingen, bei manchen Schritten bleibt es ein Versuch, oder mehrere Versuche, oder sehr viele Versuche und plötzlich gelingt es. Für diese Zwischenschritte empfehle ich die 3:1-Reflektion (im Link nachzusehen: https://bit.ly/3-1-Reflektion ), sie filtert zwei Aspekte: den, was gelungen ist und den, wo Justierungsbedarf ist.
Nun, zusammenfassend könnte man sagen, dass die Welt der Gewohnheiten so vielfältig ist, wie die Sandkörner am Meer, oder auf einer Autobahn fahren ist manchmal nützlicher als auf kurvenreichen Landstraßen oder gar Bergstraßen. Was halt gerade dran ist. Möchte man eine neue Gewohnheit etablieren, ist die Landstraße vlt. die bessere Wahl, weil das Neue noch weniger Synapsen hat und diese auf Training warten. Die Bergstraße ist oft die Wahl, wenn negative Emotionen anklopfen und man einem Starre-, Kampf- oder Fluchtmodus begegnet, weil der Berg mehr Achtsamkeit und langsameres Tempo verlangt.
Reflektieren und Probieren könnte ein Schlüssel zum Erfolg sein, denn dieser Weg bringt den Kontakt mit den eigenen Werten und Bedürfnissen, die wiederum nützlich sind für unser – wie ich gern sage – „schens“ Leben.
Und ja, es kann manchmal richtig unbequem sein, die Route zu verändern und auf neuen Straßen der Gewohnheiten zu fahren, egal ob es sich um Denk-, Sprach- oder soziale Gewohnheiten handelt.
Je nachdem, was sich im Moment in der Wahrnehmung zeigt, die Sonnenseite oder Schattenseite, in beiden Fällen geht es um Gewohnheiten, die man – wenn man das möchte – ändern kann und eine Reise zu sich selbst beginnt oder schon begonnen hat, die sich, aus meiner Sicht und Erfahrung auf jeden Fall lohnt, weil die gute Beziehung zu sich die Beziehung zum Umfeld spiegelt.
Wünsch dir viel Spaß beim Verwöhnen, Angewöhnen, Abgewöhnen, Umgewöhnen, Eingewöhnen… Und ausklopfen 😀.
Elisabeth Walter, die Aufstellerin
Kommunikation & Persönlichkeitsentwicklung
Coaching für Leben & Lebensraum
Psychosoziale Trainerin und Begleiterin
Kinesiologin, Trinergy-NLP Trainerin & Lehrtrainerin
Supervisorin, KoSoTM-Trainerin, Autorin
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